Die extreme Rechte in Essen – Jahresbericht 2014 veröffentlicht

Zum siebten Mal haben wir nun unseren Jahresbericht über die Aktivitäten und Entwicklungen der extremen Rechten in Essen veröffentlicht. Die 24 Seiten umfassende Broschüre beschäftigt sich unter anderem mit den rechten Parteien und der parteiunabhängigen Neonazi-Szene, aber auch mit den Aktivitäten fremdenfeindlicher Anwohnerinitiativen und den antisemitischen Vorfällen während der israelfeindlichen Proteste im Sommer letzten Jahres.

Der Bericht kommt zu dem Fazit, dass die klassischen Akteure der extremen Rechten – Neonazi-Kameradschaften und offen rechtsradikale Parteien – massiv an Bedeutung verloren haben. Für einen beträchtlichen Teil der fremdenfeindlichen und antisemitischen Aktivitäten und Vorfälle waren in den letzten Jahren Bürgerinitiativen, Bewegungen und Parteien verantwortlich, die sich nach außen hin gemäßigt geben und sich von der rechten Szene distanzieren. Künftig wird sich antifaschistische Recherche auch solchen Gruppierungen verstärkt widmen müssen

Unser Jahresbericht steht ab sofort als PDF zum Download bereit und wird in Kürze auch als Printversion erhältlich sein.

Vorwort

Seit der Kommunalwahl im Mai 2014 sind neben der NPD zwei weiteren Parteien vom rechten Rand des politischen Spektrums im Stadtrat vertreten. Während klassische Neonazi-Kameradschaf-ten kaum noch eine Rolle spielen, erregte ein Auftritt der rechtsgerichteten Initiative „Hooligans gegen Salafisten“ einiges Aufsehen. Auch kam es im vergangenen Jahr erneut zu Protesten fremdenfeindlicher Anwohnerinitiativen, die sich gegen die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte richteten. Für bundesweite Schlagzeilen sorgten darüber hinaus antisemitische Vorfälle auf einer Demonstration der Linksjugend in Essen.

Neue, oftmals heterogene und unübersichtliche Parteien und Bewegungen haben in den letzten Jahren die politische Bühne betreten und werben am rechten Rand der Gesellschaft um Zuspruch. Es wird damit zunehmend schwieriger, rassistische und antisemitische Aktivitäten und Vorfälle den klassischen Akteuren der rechten Szene zuzurechnen. Diese Entwicklung stellt auch die antifaschistische Recherchearbeit vor neue Herausforderungen.

Weniger denn je kann unser Jahresbericht daher Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Und so freuen wir uns auch in diesem Jahr wieder über Ergänzungen und Hinweise aller Art.

Antifa Essen Z

(Januar 2015)

 

Die Republikaner

Die 1983 als Rechtsabspaltung der CSU gegründeten Republikaner hatten ihre größten Wahlerfolge Ende der 1980er Jahre im Zusammenhang mit der über weite Teile von rassistischen und rechtspopulistischen Positionen geprägten Debatte um Zuwanderung und „Asylmissbrauch“. Nach der so genannten Wiedervereinigung Deutschlands trug die Partei maßgeblich dazu bei, klassische Positionen der extremen Rechten in die Mitte der deutschen Politiklandschaft zu tragen. Seit einigen Jahren befinden sich die Republikaner allerdings in einer existenziellen Krise. In Nordrhein-Westfalen verfügen sie kaum noch über handlungsfähige Strukturen.

Ende März vermeldeten die Essener Republikaner auf ihrer Website, dass der Kreisverband einen neuen Vorstand gewählt habe. Kreisverbandsvorsitzender ist seither Ulrich Karl O. Der heute 51-Jährige war zuvor bereits Mitglied der rechtspopulistischen Kleinpartei Die Freiheit, die ihn noch im Mai 2012 zum nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden gewählt hatte (1).

Zur Kommunalwahl am 25. Mai traten die Republikaner in Essen flächendeckend an. Anders als bei vorangegangenen Wahlen in den letzten Jahren, bei denen es praktisch keine wahrnehmbaren Wahlkampfaktivitäten gegeben hatte, präsentierte sich die rechte Partei im vergangenen Jahr während des Wahlkampfs im gesamten Essener Stadtgebiet mit zahlreichen, teils lokalspezifischen Plakaten.

Für einen Wiedereinzug in den Stadtrat reichte es dennoch nicht. Gerade einmal 729 Wähler stimmten am 25. Mai für die Republikaner. Dies entspricht einem Stimmenanteil von 0,4 Prozent. Bei der vorherigen Kommunalwahl im Herbst 2009 waren es noch rund drei Mal so viele gewesen. Die Republikaner sind damit erstmals seit 1999 nicht mehr im Essener Stadtrat vertreten. Ihre stärksten Ergebnisse mit jeweils 1,0 Prozent erzielten sie in den Stadtteilen Frillendorf, Altenessen-Süd, im Ostviertel, im Westviertel und im Nordviertel. In den Bezirksvertretungen verlor die rechte Partei auch ihr letztes noch verbliebenes Mandat (Stadtbezirk VI: Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg).

Die Gründe für das schlechte Abschneiden verortete der neue Kreisvorstand in den „Versäumnissen der letzten Jahre“. Künftig werde man alle Kraft in den weiteren Ausbau des Kreisverbands setzen (2).

Allerdings dürften auch Spaltungs- und Zerfallstendenzen innerhalb der Partei eine Rolle gespielt haben: Bereits Ende 2013 hatte der einstige Mandatsträger der Republikaner im Essener Stadtrat, Günter W., seinen Austritt aus der Partei erklärt. Bei der Kommunalwahl im Mai 2014 ging er dann gemeinsam mit fünf weiteren ehemaligen Kandidaten der Republikaner für die neu gegründete Alternative für Deutschland ins Rennen (3).

Internetpräsenz und Facebook-Seite der Essener Republikaner wurden im vergangenen Jahr nur unregelmäßig aktualisiert.

 

PRO-Bewegung

Im Februar 2007 wurde von mehreren lokalen Ablegern der rechten Bürgerbewegung pro Köln die landesweite Bürgerbewegung PRO NRW gegründet. Ihren Schwerpunkt hat PRO NRW aber weiterhin in der Region um Köln.

Der Essener Kreisverband der rechten „Bürgerbewegung“ wurde im Sommer 2008 ins Leben gerufen. Seither fanden in Essen immer wieder kleinere Kundgebungen der rechten Partei statt, die sich inhaltlich meist gegen Flüchtlinge und Muslime richteten. Zudem präsentierte sie sich im Vorfeld der Landtagswahlen 2010 und 2012 mit zahlreichen Wahlplakaten im gesamten Essener Stadtgebiet. Die meisten dieser Aktivitäten wurden jedoch nicht vom Essener Kreisverband getragen, sondern von Parteifunktionären aus anderen Städten organisiert. Der Essener Ableger der selbst ernannten „Bürgerbewegung“ entwickelte kaum eigenständige Aktivitäten und zeigte sich nach außen hin zerstritten.

Dies änderte sich im April 2013 mit der Wahl der heute 37-jährigen Christine Ö. zur neuen Kreisverbandsvorsitzenden. Unter ihrer Führung scheint es PRO NRW in Essen erstmals gelungen zu sein, arbeitsfähige Strukturen aufzubauen.

Am 1. Mai 2014 führte PRO NRW zwei Kundgebungen in Altenessen und Frintrop durch, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte in den beiden Essener Stadtteilen richteten. An beiden Veranstaltungen beteiligten sich rund 100 PRO NRW-Anhänger, die größtenteils aus anderen nordrhein-westfälischen Städten angereist waren.

Im Vorfeld der Kommunalwahl am 25. Mai organisierte PRO NRW in Essen einige Informationsstände und warb auf zahlreichen Plakaten im gesamten Stadtgebiet für die Wahl.

Mit 3.540 Stimmen erreichte die rechtspopulistische Partei ein Ergebnis von 1,7 Prozent und konnte somit zwei Vertreter in den Essener Stadtrat entsenden. Die Mandate werden von der Kreisverbandsvorsitzenden und Spitzenkandidatin Christine Ö. sowie der zweiplatzierten 29-Jährigen Silvana S. wahrgenommen. Ihre besten Wahlergebnisse erzielte die Partei in den Stadtteilen Altendorf (3,6 Prozent), Gerschede (3,4 Prozent), Frillendorf und Stoppenberg (jeweils 3,3 Prozent).

Auch in sechs der neun Bezirksvertretungen gelang PRO NRW der Einzug. Jeweils ein Mandat konnten die Rechtspopulisten in den Bezirken I (Stadtmitte, Frillendorf, Huttrop), III (Essen West), IV (Borbeck), V (Altenessen, Karnap, Vogelheim), VI (Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg) und VII (Steele, Kray) erringen.

Bei der Wahl zum Europäischen Parlament, die ebenfalls am 25. Mai 2014 stattfand, erreichte PRO NRW 2.531 Stimmen beziehungsweise 1,3 Prozent .

Auf ihrer Internetseite teilte die Partei mit, dass die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung am 2. Dezember Christine Ö . in ihrem Amt als Kreisverbandsvorsitzende bestätigt hätten. Zudem kündigten die Rechtspopulisten an, den Kölner PRO NRW-Aktivisten Tony-Xaver F. Für das Amt des Essener Oberbürgermeisters nominieren zu wollen (4). Das Stadtoberhaupt wird im September 2015 neu gewählt.

Ihre Redezeit im Stadtrat nutzte die Kreisverbandsvorsitzende bislang hauptsächlich, um sich zu migrationspolitischen Themen zu äußern.

Der Essener Kreisverband von PRO NRW verfügt über eine Facebook-Seite, die regelmäßig mit lokalpolitischen Meldungen aktualisiert wird. Eine eigenständige Internetseite betreibt der Kreisverband zurzeit nicht.

 

Alternative für Deutschland (AfD)

Die Alternative für Deutschland (AfD) entstand Anfang 2013 als Nachfolgerin und Sammelbecken mehrerer kurz zuvor gegründeter Wahlvereine und Zusammenschlüsse aus dem liberal-konservativen und rechtspopulistischen Spektrum. Während sie bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 noch knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, gelang der neuen Partei im vergangenen Jahr der Einzug in das Europaparlament sowie in drei Landesparlamente. Inhaltlich zeichnet sich die AfD neben ihren europakritischen Positionen auch durch Forderungen nach einer restriktiveren Flüchtlings– und Zuwanderungspolitik aus. Innerhalb der Partei existieren verschiedene, teils widerstreitende, Strömungen. Ihre Zuordnung zum Spektrum der extremen Rechten ist daher umstritten (5).

Der Essener Kreisverband der AfD wurde im Mai 2013 gegründet. Seit Juli 2013 betreibt die Essener AfD eine eigene Internetseite und eine Facebook-Seite und lädt regelmäßig zu so genannten „Stammtischen“ und anderen Veranstaltungen ein, die meist im Hotel Domstuben im Stadtteil Werden stattfinden.

Sowohl im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 als auch in den Wochen vor den Kommunal– und Europawahlen zeigte die AfD in Essen mit zahlreichen Wahlplakaten und einigen Informationsständen Präsenz. Für mediale Aufmerksamkeit sorgte zunächst vor allem die Nachricht, dass sich unter den Stadtratskandidaten der AfD sechs Personen befanden, die noch bei der vorangegangenen Kommunalwahl im Herbst 2009 für die Republikaner kandidiert hatten. Auch der ehemalige Ratsherr Günter W., der die Republikaner seit 1999 durchgehend im Essener Stadtrat vertreten hatte, gehörte zu den Überläufern (3). Für weitere Negativschlagzeilen sorgte Spitzenkandidat und Vorstandssprecher Marco T. Anfang Mai durch einen Facebook-Eintrag, in dem er Kritik an seiner Partei in die Nähe der nationalsozialistischen Judenverfolgung rückte. Der Landesverband der AfD enthob T. daraufhin von seinen Ämtern und setze ein Parteiausschlussverfahren in Gang, das jedoch zwischenzeitlich eingestellt wurde (6).

Bei der Kommunalwahl am 25. Mai erreichte die AfD ein Ergebnis von 3,8 Prozent (7.697) und konnte somit mit drei Vertretern in den Stadtrat einziehen. Zur Bildung einer AfD-Fraktion kam es dennoch nicht. Grund dafür waren Zerwürfnisse innerhalb der Dreiergruppe. Ratsherr Menno Georg A., der dem extrem rechten Flügel der AfD angehörte und auf Platz zwei der Wahlliste in den Stadtrat eingezogen war, erklärte kurz nach der Wahl seinen Austritt aus der Partei und bildete, nachdem Verhandlungen mit der Fraktion des Essener Bürger-Bündnisses gescheitert waren, eine Ratsgruppe mit dem ehemaligen Kreisverbandssprecher Marco T. Gleichzeitig distanzierte sich der neue Kreisvorstand jedoch nachdrücklich von beiden Abgeordneten und betonte, sie repräsentierten nicht den Essener Kreisverband der AfD. Ende August wurden dann Vorwürfe laut, nach denen T. mehrere tausend Euro aus den Kassen des Kreisverbands veruntreut haben soll. T. erklärte daraufhin ebenfalls seinen Austritt aus der AfD, lehnte es aber ab, sein Mandat niederzulegen. Anfang Dezember 2014 wurde dann bekannt, dass sich die beiden abtrünnigen AfD-Vertreter gemeinsam mit einer ehemaligen Grünen-Politikerin zu der neuen Fraktion Bürgerlich Alternative Liste zusammenschließen wollen (7).

Der drittplatzierte AfD-Kandidat Jochen B. verbleibt als fraktionsloser Einzelvertreter der AfD im Stadtrat.

Bei der Wahl zu den Bezirksvertretungen war die AfD lediglich im Bezirk VII (Steele, Kray) angetreten und errang dort ein Mandat.

Bei der Wahl zum Europäischen Parlament erhielt die AfD in Essen 12.010 Stimmen, was einem Anteil von 6,0 Prozent entspricht.

Der Essener Kreisverband der AfD betreibt eine Internetseite sowie ein Facebookprofil, die regelmäßig aktualisiert werden.

 

Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Junge Nationaldemokraten (JN)

Die 1964 gegründete NPD ist heute nicht nur die älteste, sondern auch die erfolgreichste neofaschistische Partei in der Bundesrepublik. Sie vertritt offen rassistische und antisemitische Positionen und bezieht sich positiv auf den historischen Nationalsozialismus. Das Bundesverfassungsgericht prüft zurzeit einen Verbotsantrag gegen die Partei.

Wenngleich die NPD in Nordrhein-Westfalen auf Landesebene als bedeutungslos gelten kann, verfügt sie in einigen Städten und Regionen über funktionierende Parteistrukturen und einen aktiven Mitgliederstamm. Die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten liegen im Ruhrgebiet sowie im Raum Aachen.

Seit 2007 ist es der Essener NPD gelungen, eine große Zahl an jungen, aktionistisch ausgerichteten Neonazis an sich zu binden. Die öffentlichen Aktivitäten der Partei nahmen seither sprunghaft zu. Bei der Kommunalwahl 2009 stellte die NPD erstmals auch Kandidaten für den Essener Stadtrat auf und erlangten mit einem Ergebnis von 0,8 Prozent ein Mandat, das durch den Kreisverbandsvorsitzenden Marcel H. wahrgenommen wurde.

Seit Herbst 2012 unterhält die nordrhein-westfälische NPD im Essener Stadtteil Kray ihre Landesgeschäftsstelle. Die Räumlichkeiten werden auch vom Essener Kreisverband regelmäßig genutzt.

Im Rahmen ihres Kommunal– und Europawahlkampfs führte die NPD am 3. Mai vergangenen Jahres eine Kundgebung in der Essener Innenstadt durch, an der sich rund 20 Personen beteiligten. Darüber hinaus warb die neonazistische Partei mit zahlreichen Plakaten und Flugblättern in verschiedenen Stadtteilen für ihre Positionen.

Unter dem Motto „Asylflut stoppen!“ führte die NPD am 25. Oktober eine weitere Kundgebung in der Essener Innenstadt durch, an der abermals rund 20 Personen teilnahmen.

Auch 2014 rief die Essener NPD am 9. November wieder zu einer Kundgebung „in Gedenken an die Mauertoten“ auf. Bereits seit 2009 veranstaltet der Kreisverband eine solche Kundgebung regelmäßig am Jahrestag der Reichspogromnacht. Im vergangenen Jahr fand die Kundgebung im Stadtteil Kray statt. Es beteiligten sich rund 50 NPD-Anhänger aus verschiedenen nordrhein-westfälischen Städten.

Bei der Kommunalwahl am 25. Mai erhielt die NPD 0,6 Prozent der Stimmen (1.229 Stimmen) und konnte somit erneut in den Stadtrat einziehen. Das Mandat wird von dem Listenzweiten, dem 35-jährigen Stefan Peter A. wahrgenommen, der zwar regelmäßig an den Stadtratssitzungen teilnimmt, sich bislang aber noch nicht mit eigenen Redebeiträgen zu Wort gemeldet hat. Der bisherige NPD-Vertreter im Essener Stadtrat, der 31-jährige Marcel H., trat auf Platz 5 der Reserveliste an und hatte somit keine Aussicht auf einen erneuten Einzug in das Kommunalparlament. Ihre besten Ergebnisse erzielte die NPD mit jeweils 2,0 Prozent in Bergeborbeck und Bochold sowie mit 1,7 Prozent in Kray.

Bei der Europawahl am 25. Mai erreichte die NPD in Essen ein Ergebnis von 0,8 Prozent (1.538 Stimmen).

Laut Bericht auf der Internetseite des Landesverbands fand am 28. September ein Landesparteitag in der Landesgeschäftsstelle in Essen statt. Dabei wurde der ehemalige Essener Ratsherr Marcel H. zum Beisitzer im Landesvorstand gewählt (8).

Am 9. November veranstaltete die NPD ebenfalls in ihrer Landeszentrale in Essen-Kray eine „Feierstunde“ unter dem Motto „25 Jahre Mauerfall – 50 Jahre NPD“ (9).

Der Essener Kreisverband der NPD informiert auf einer Facebook-Seite über seine Aktivitäten. Die Internetseite des Kreisverbands wurde seit Mitte Mai nicht mehr aktualisiert.

Junge Nationaldemokraten

Die Jugendorganisation der NPD entwickelte im vergangenen Jahr keine eigenständigen Aktivitäten. Zwar wird das Facebook-Profil „Junge Nationaldemokraten – Stützpunkt Essen“ noch immer regelmäßig aktualisiert. Die Seite spiegelt jedoch mittlerweile fast eins zu eins die Beiträge auf der Facebook-Seite des NPD-Kreisverbands.

 

Kameradschaftsszene

Im Gegensatz zu den rechtsradikalen Parteien handelt es sich bei den so genannten Kameradschaften nicht um juristisch definierte Organisationen mit offiziellen Statuten und Mitgliedsregistern. Dennoch sind die neonazistischen Kameradschaften in aller Regel hierarchisch organisiert und werden nach außen hin von einzelnen Führungskadern vertreten. Sie bekennen sich meist offen zur nationalsozialistischen Ideologie und versuchen sich durch Auftreten, Ästhetik und Aktionsformen in die Tradition der historischen SA der NSDAP zu stellen.

Mit der Aktionsgruppe Essen existierte bis 2009 eine relativ stabile lokale Kameradschaftsstruktur, deren Aktivitäten sich durch sporadische Flugblattverteilungen, Teilnahme an neonazistischen Aufmärschen und Vernetzungsbestrebungen mit anderen rechten Gruppierungen aus der Region auszeichneten. Vorgängerorganisationen dieser Gruppe wurden bereits 2003 gegründet, sodass innerhalb der Essener Kameradschaftsstrukturen eine gewisse personelle Kontinuität bestand.

Nachdem die neonazistische Aktionsgruppe ihre Aktivitäten Mitte 2009 vollständig eingestellt hatte, gründeten sich in den letzten Jahren immer wieder sehr kurzlebige Gruppierungen wie etwa der Nationale Widerstand Borbeck oder die Nationalen Sozialisten aus Essen, die in der Regel eine große Nähe zur NPD aufwiesen und kaum eigenständige Aktivitäten entfalteten.

Die letzte noch verbliebene Gruppierung aus dem Spektrum der parteiunabhängigen Kameradschaftsszene war die 2011 gegründete Division Altenessen. Ihre Mitglieder beteiligten sich in den letzten Jahren immer wieder an Kundgebungen der Essener NPD und rechten Aufmärschen in der Region. Zudem betrieb die Gruppe eine Internetseite, auf der sie unregelmäßig über lokalpolitische Ereignisse und Themen der rechten Szene berichtete.

Einzelne Mitglieder der rechten Kameradschaft versuchten am 8. Mai 2014, eine Kundgebung linker Gruppen im Stadtteil Altenessen zu stören und wurden daraufhin von anwesenden Polizeikräften des Platzes verwiesen. Seit Mitte vergangenen Jahres trat die Gruppe nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Auch ihre Internetpräsenz wurde seit März 2014 nicht mehr aktualisiert.

 

 Bekleidungsgeschäft Oseberg

Seit April 2009 existiert in der Essener Innenstadt das Bekleidungsgeschäft Oseberg. Es handelt sich dabei um eine Filiale der brandenburgischen MediaTex GmbH, die für die Produktion und den Vertrieb der rechten Modemarke Thor Steinar verantwortlich ist.

Thor Steinar

Die MediaTex GmbH und das Bekleidungslabel Thor Steinar wurden 2002/2003 von den Jungunternehmern Axel K. und Uwe M. aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen ins Leben gerufen. Mehreren Verantwortlichen der Firma konnten in der Vergangenheit Verbindungen zur rechten Szene nachgewiesen werden (10).

Große Teile der Kollektion der Marke Thor Steinar nehmen durch Schriftzüge und Symbolik Bezug auf Hooligankultur, Wehrmacht und Nationalsozialismus, deutsche Kolonialgeschichte oder neoheidnischen Germanenkult. Die Marke erfreut sich daher unter Neonazis und rechten Hooligans großer Beliebtheit.

Oseberg

Bei dem 2009 eröffneten Oseberg handelt es sich um eine von zurzeit insgesamt zwölf Verkaufsfilialen der MediaTex GmbH. Nach der Eröffnung kam es zu mehreren Demonstrationen und Protestaktionen gegen das Geschäft. Zudem beschädigten Unbekannte immer wieder die Schaufensterscheiben des Oseberg.

Der zunächst auf fünf Jahre befristete Mietvertrag für die Verkaufsräume des Oseberg endete 31. März 2014. Ende August 2013 gab der Vermieter der Räumlichkeiten in der Viehofer Straße 20 bekannt, dass der bestehende Vertrag dem Mieter die Möglichkeit biete, das Mietverhältnis einseitig um weitere fünf Jahre zu verlängern. Von dieser Option habe der Oseberg-Betreiber Gebrauch gemacht. Eine Kündigung sei nicht möglich. Das Mietverhältnis wurde daher bis März 2019 verlängert.

 

Konzert des Sängers Thompson

Am 3. Mai 2014 fand in der Eissporthalle im Essener Stadtteil Frohnhausen ein Konzert des rechten kroatischen Sängers Thompson statt.

Thompson ist europaweit für seine nationalistischen und kriegsverherrlichenden Texte bekannt. Er bedient sich bei seinen Auftritten faschistischer Symbolik und verherrlicht die kroatische Ustascha-Bewegung, die während der Zeit des Zweiten Weltkriegs eng mit der nationalsozialistischen Besatzungsmacht zusammenarbeitete und an der Ermordung hunderttausender Serben, Juden und Roma beteiligt war. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtung wurde der Band 2009 die Einreise in die Schweiz verboten (11). In den Niederlanden, Kanada und Italien mussten Auftritte von Thompson ebenfalls abgesagt werden, nachdem antifaschistische Initiativen auf den rechtsradikalen Hintergrund der Band aufmerksam gemacht hatten.

Der Trägerverein der Eissporthalle, die sich im Besitz der Stadt Essen befindet, wurde Ende März durch die Antifa Essen Z über den politischen Hintergrund des Sängers informiert. Der Hallenbetreiber versuchte daraufhin, eine einvernehmliche Auflösung des Nutzungsvertrags zu erreichen, was jedoch an dem Veranstalter des Konzerts scheiterte. In einem Schreiben an die Antifa Essen Z drückte der Verein hierüber sein Bedauern aus und kündigte an, dass in Zukunft keine Auftritte der kroatischen Band mehr in der Eissporthalle stattfinden würden.

Verschiedene Gruppen aus Lokalpolitik und Zivilgesellschaft forderten die Stadtverwaltung in der Folge dazu auf, das Konzert zu untersagen. Die rechtspopulistische Partei PRO NRW begrüßte den Auftritt des „für seine patriotischen Lieder bekannt gewordenen Musikers“ auf ihrer Internetseite hingegen ausdrücklich (12).

Letztlich konnte der Auftritt von Thompson am 3. Mai ohne Störungen vor 2.500 Gästen aus der gesamten Bundesrepublik und angrenzenden Ländern stattfinden.

 

Israelfeindliche Proteste anlässlich des Gaza-Konflikts

Anlässlich der jüngsten Eskalation im Nahost-Konflikt zwischen dem israelischen Staat und bewaffneten palästinensischen Gruppen, fanden im Juli 2014 in zahlreichen deutschen Städten anti-israelische Proteste statt, bei denen es teilweise zu Ausschreitungen kam und offen antisemitische Parolen skandiert wurden.

In Essen zogen zunächst am 10. Juli rund 100 Personen im Rahmen einer unangekündigten Spontanversammlung vor die Alte Synagoge in der Innenstadt, um gegen den israelischen Militäreinsatz zu demonstrieren (13).

Unter dem Motto „Stoppt die Bombardierung Gazas“ meldete dann die Jugendorganisation der Partei Die Linke für den 18. Juli eine weitere Kundgebung in der Essener Innenstadt an. Bereits im Vorfeld kündigten auf der Facebook-Seite der Linksjugend zahlreiche offenkundige Islamisten, Nationalisten und Rechtsradikale ihre Teilnahme an. Forderungen der Antifa Essen Z, die geplante Kundgebung aus diesem Grund abzusagen, wiesen die Veranstalter jedoch zurück (14).

Statt der zunächst erwarteten 500 kamen am 18. Juli fast 3.000 Teilnehmer zu der Kundgebung der Linksjugend zusammen. Zahlreiche Demonstranten zeigten Flaggen und Embleme islamistischer und nationalistischer Organisationen.

Dem Ordnerdienst der Linksjugend gelang es nur in den wenigsten Fällen, die entsprechenden Gruppierungen von der Kundgebung zu verweisen. Einzelne Redner, die die Teilnehmer zur Mäßigung aufriefen, wurden von Parolen wie „Allahu Akbar“ und „Kindermörder Israel“ übertönt. Nachdem die Veranstalter die Kundgebung bereits nach einer knappen Stunde aufgelöst hatten, stürmten mehrere hundert Teilnehmer in Richtung einer israelsolidarischen Veranstaltung, die parallel zur Kundgebung der Linksjugend in der Essener Innenstadt stattfand. Dort eskalierte die Situation schließlich völlig, nachdem die rund 200 pro-israelischen Demonstranten von etwa 1.000 Israel-Gegnern buchstäblich eingekesselt und unter Hitlergrüßen und Beleidigungen wie „Scheißjuden“ mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen wurden (15). Die Polizei hatte zu diesem Zeitpunkt die Kontrolle völlig verloren und entschied schließlich, die Teilnehmer der israelsolidarischen Demonstration mit Bussen in die Nachbarstadt Mülheim zu verbringen.

Die Vorfälle in Essen lösten in Verbindung mit ähnlichen Ereignissen in anderen deutschen Städten eine bundesweite Diskussion über antisemitische Tendenzen in der politischen Linken und in islamischen Communities aus. Die Veranstalter der Kundgebung in Essen zogen sich dabei auf den Standpunkt zurück, sie hätten sich im Vorfeld ausreichend von rechten und antisemitischen Positionen distanziert und seien darüber hinaus nicht für Handlungen und Äußerungen der Demonstrationsteilnehmer verantwortlich. Den Vorwurf, sie hätte die Teilnahme rechter und islamistischer Israelgegner durch einseitige Schuldzuweisungen an Israel provoziert, wies die Linksjugend zurück.

Im Nachgang der Demonstration hatte die Polizei 49 Strafverfahren unter anderem wegen Volksverhetzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eigeleitet, von denen ein Großteil jedoch zwischenzeitlich eingestellt wurde, weil die Beschuldigten nicht identifiziert werden konnten (16).

 

„Hooligans gegen Salafisten“

Unter der Selbstbezeichnung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) hat sich im Herbst vergangenen Jahres eine lose Gruppe von rechten Fußballfans, Neonazis und Islamgegnern zusammengefunden, die mit Großaufmärschen in Köln und Hannover bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Zwar distanzierten sich die Hooligans in öffentlichen Stellungnahmen immer wieder von der extremen Rechten. An ihren Veranstaltungen konnten jedoch zahlreiche organisierte und offen auftretende Neonazis aus NPD, Kameradschaftsszene und der Partei Die Rechte ungehindert teilnehmen. Auch die Parolen und Äußerungen auf Demonstrationen und in sozialen Netzwerken lassen darauf schließen, dass es sich bei einem Großteil der HoGeSa-Anhänger um Rechtsradikale handelt.

Eine Art Gründungstreffen dieser Struktur fand am 21. September 2014 in Essen statt. Über ein offenes Internetforum hatten die Hooligans dazu aufgerufen, sich nachmittags an einem zentralen Platz in der Einkaufszone der Essener Innenstadt einzufinden. Zweck des Treffens sei es, sich „gegenseitig kennen zu lernen, Gespräche zu führen und weitere Aktionen zu planen.“ Rund 80 HoGeSa-Anhänger folgten dem Aufruf, wurden jedoch schon kurz nach Verlassen des Hauptbahnhofs von anwesenden Polizeikräften, die bereits im Vorfeld von der geplanten Versammlung erfahren hatten, abgefangen und eingekesselt. Nachdem die Polizei die Personalien der Teilnehmer aufgenommen hatte, wurden diese des Platzes verwiesen, sodass sich die Versammlung nach und nach auflöste (17).

In den folgenden Monaten mobilisierte HoGeSa unter anderem zu Aufmärschen in Köln (26. Oktober) und Hannover (15. November), an denen sich jeweils über 3.000 Personen aus der gesamten Bundesrepublik beteiligten. Vor allem bei der HoGeSa-Demonstration in Köln kam es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei und Angriffen auf linke Gegendemonstranten.

Am 30. November fand in der Gaststätte „Der Löwe“ in der Essener Innenstadt ein weiteres Treffen regionaler HoGeSa-Aktivisten statt. Ende Dezember kündigte der in Herne lebende HoGeSa-Initiator Andreas K. für den 18. Januar 2015 einen Großaufmarsch mit bis zu 4.000 Teilnehmern in Essen an.

 

Flüchtlingsfeindliche Aktivitäten

Im Wahlkampf der rechten Parteien in Essen haben flüchtlingspolitische Themen auch in diesem Jahr wieder eine zentrale Rolle gespielt. Alle vier auf lokaler Ebene aktiven rechten Parteien, einschließlich der AfD, forderten auf Plakaten, in Flugblättern und sonstigen Veröffentlichungen eine restriktivere Zuwanderungspolitik und sprachen sich gegen die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte in Essen aus. PRO NRW und die NPD organisierten darüber hinaus auch öffentliche Kundgebungen zu der Thematik.

Die rechten Parteien schüren mit dieser Strategie gezielt Ängste und Ressentiments gegen Flüchtlinge und Zuwanderer. Gleichzeitig versuchen sie aber auch, an eine bereits bestehende fremdenfeindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung anzuknüpfen. So ließ sich gerade hinsichtlich der Kundgebungen von PRO NRW in den letzten Jahren immer wieder die Strategie beobachten, dass die rechtspopulistische Partei vor allem dort auftrat, wo bereits rechte und flüchtlingsfeindliche Anwohnerinitiativen existierten.

Die Aktivitäten derartiger Anwohnerinitiativen haben im vergangenen Jahr noch einmal spürbar zugenommen. Im Januar 2014 gab die Stadtverwaltung bekannt, dass sie die Einrichtung von insgesamt 14 neuen Flüchtlingsunterkünften im gesamten Essener Stadtgebiet plane. Grund dafür waren einerseits die gestiegenen Asylantragszahlen, andererseits die geplante Schließung zweier Unterkünfte, die in den vergangenen Jahren als Interimslösungen geschaffen worden waren. Vor diesem Hintergrund konstituierten sich in vielen der betroffenen Stadtteile Bürger– und Anwohnerinitiativen, um gegen die Pläne der Stadtverwaltung mobil zu machen. Zu ihrem Aktionsrepertoire gehörten unter anderem Unterschriftensammlungen, Kundgebungen, Bürgerversammlungen und Protestbriefe an Politiker oder lokale Zeitungen. Indes verschwanden die meisten dieser ohnehin relativ losen Zusammenschlüsse nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche—vermutlich , weil sich ihre Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme als begrenzt erwiesen und sich anfängliche Ängste und Ressentiments gegenüber den Asylsuchenden häufig nach einigen Wochen zerstreuten.

Für bundesweite Schlagzeilen sorgte Ende September ein Bericht des WDR-Magazins „Westpol“, nachdem Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen in mehreren Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW Flüchtlinge über Wochen hinweg misshandelt haben. Entsprechende Vorfälle wurden auch aus einer Einrichtung im Essener Stadtteil Altendorf gemeldet. Die Polizei nahm in mehreren Fällen wegen des Vorwurfs der Körperverletzung Ermittlungen gegen Sicherheitsmitarbeiter auf (18).

 

Fazit und Perspektiven

Mit der AfD, den Republikanern, PRO NRW und der NPD sind mittlerweile vier Parteien, die sich am rechten Rand des politischen Spektrums bewegen, in Essen aktiv. Den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten bildete im vergangenen Jahr der Wahlkampf um den Stadtrat und das Europaparlament. Die Hoffnung, dass die verschärfte Konkurrenz um Wählerstimmen die Rechtsaußenparteien in den Parlamenten insgesamt schwächen würde, hat sich indes nicht bestätigt: Die Zahl der Mandate, die die extrem rechten Parteien bei der Kommunalwahl erzielen konnten, stieg von zwei auf drei—sofern man die (ehemaligen) Vertreter der AfD hinzuzählt, sogar auf sechs. Die absolute Stimmenzahl erhöhte sich im Vergleich zur Kommunalwahl im Herbst 2009 von 4.207 auf 5.498 (mit AfD: 13.195). Von dieser Entwicklung profitierten jedoch vor allem die Newcomer am rechten Rand. Die etablierten Parteien der extremen Rechten verloren im Vergleich zur vorherigen Kommunalwahl deutlich an Stimmen. Während das Ergebnis für die NPD einen äußerst knappen Wiedereinzug bedeutete, droht den Republikanern nach 15 Jahren im Essener Stadtrat nun endgültig das politische Aus. Ob der neue Vorstand des Kreisverbands daran noch etwas zu ändern vermag, erscheint äußerst fraglich. Denn die wesentlich moderner und dynamischer auftretende Konkurrenz in Form von AfD und PRO NRW lässt die passiven und altbackenen Republikaner in den Augen vieler Wähler offenbar überflüssig erscheinen.

Auch die Essener NPD hat ihren Zenit scheinbar überschritten. Zwar gehört sie nach wie vor zu den umtriebigsten Akteuren der extremen Rechten in Essen, die Zahl ihrer öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten hat aber in den vergangenen beiden Jahren spürbar abgenommen. Für diese Entwicklung dürfte vor allem der weitgehende Rückzug des ehemaligen Ratsherrn Marcel H. ursächlich sein. Sein Nachfolger Stefan Peter A. zeigte sich im Stadtrat bislang äußerst zurückhaltend.

Auch die AfD wird sich über ihren Wahlerfolg mittlerweile nur noch bedingt freuen können. Parteiinterne Konflikte verhinderten von Vornherein die Bildung einer Stadtratsfraktion. Die Auseinandersetzungen unter den Mandatsträgern dürften auch am Kreisverband nicht spurlos vorrübergegangen sein.

PRO NRW vermeldet auf der Internetseite des Landesverbands —in dem für die rechtspopulistische Partei so markanten Stil der schamlosen Selbstbeweihräucherung— eine Erfolgsmeldung nach der nächsten. Der beachtliche Wahlerfolg der „Bürgerbewegung“ kann indes nicht darüber hinweg täuschen, dass in der zweiten Jahreshälfte kaum wahrnehmbare Aktivitäten vom Essener Kreisverband ausgingen. Die Ankündigung, für die im Herbst 2015 anstehende Neuwahl des Essener Oberbürgermeisters einen eigene Kandidaten nominieren zu wollen, lässt allerdings erwarten, dass die Rechtspopulisten in den kommenden Monaten auch wieder häufiger auf der Straße präsent sein werden.

Rassistische und fremdenfeindliche Aktivitäten gingen in den vergangenen Jahren allerdings nicht nur von den Parteien der extremen Rechten aus. Auch zahlreiche Bürger– und Anwohnerinitiativen wandten sich mit einer teils erschreckenden Aggressivität gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft und trugen somit zu einem Klima der Ablehnung und Ausgrenzung gegenüber Schutzsuchenden bei. Da es sich bei diesen Initiativen jedoch meist um relativ lose und unverbindliche Zusammenschlüsse handelt, gingen ihre Aktivitäten nur selten über das Niveau kurzfristig organisierter, punktueller Proteste hinaus, die meist innerhalb kurzer Zeit wieder verklangen.

Dass auch Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten extrem rechte Positionen vertreten können, ist weder ein neuer noch ein sonderlich überraschender Befund. Dennoch wurde in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich, dass weite Teile der Zivilgesellschaft wie auch der politischen Linken rassistischen und antisemitischen Gruppierungen aus migrantischen Communities verhältnismäßig wenig Beachtung schenken. Dies gilt sowohl für rechtsradikale Nationalisten wie die türkischen Grauen Wölfe oder die kroatische Ustascha-Bewegung als auch für islamische Fundamentalisten, die im vergangenen Jahr in Essen nicht nur ungehindert an einer vermeintlich linken Großdemonstration teilnehmen, sondern ihre antisemitischen, frauenverachtenden und ultra-konservativen Anschauungen auch regelmäßig an Informationsständen in der Innenstadt präsentieren konnten, ohne dass daran wesentliche Teile der Stadtgesellschaft Anstoß genommen hätten.

Diese Akteure außerhalb des etablierten und meist gut dokumentierten rechten Parteienspektrums haben bislang sicherlich zu wenig Beachtung erfahren. Sie alle eint die Tatsache, dass sie den Vorwurf, zum extrem rechten politischen Spektrum zu gehören, in der Regel empört von sich weisen. Nur allzu oft lässt sich die breite Öffentlichkeit von solchen Beteuerungen beschwichtigen, ohne sich tatsächlich kritisch mit den politischen Inhalten solcher Gruppierungen auseinanderzusetzen.

Die klassischen Akteure der extremen Rechten – Neonazi-Kameradschaften und offen rechtsradikale Parteien – haben in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung verloren. Ein beträchtlicher Teil der fremdenfeindlichen und antisemitischen Aktivitäten und Vorfälle, die in den letzten Jahren dokumentiert wurden, geht auf das Konto religiöser Fanatiker, unorganisierter Wutbürger oder anderer Alltagsrassisten. Antifaschistische Recherchegruppen werden auf diese Entwicklung reagieren und ihren Fokus erheblich erweitern müssen, wollen sie nicht das Schicksal der meisten ihrer Untersuchungsobjekte teilen und in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden.

 

Quellenverzeichnis

(1) https://nrwrex.wordpress.com/2012/06/01/ob-neuer-landesvorstand-der-partei-die-freiheit-2/

(2) http://www.rep-essen.de/content.aspx?ArticleID=a5179a95-583e-4bc3-b654-858ae991511f&ObjectId=f55210a8-d0ae-4bbf-98d1-c705fc703f96

(3) http://www.antifa-essen.de/2014/05/fuehrungsriege-der-republikaner-wechselt-zur-afd/

(4) http://pro-nrw.net/pro/signal-der-geschlossenheit-aus-essen/

(5) http://www.boell-nrw.de/sites/default/files/afd_studie_forena_hbs_nrw.pdf

(6) http://www.derwesten.de/staedte/essen/essens-afd-ist-erzuernt-ueber-neue-ratsgruppe-id9569189.html

(7) http://www.derwesten.de/staedte/essen/essener-gruene-sind-beschaemt-ueber-ihre-ex-ratsfrau-id10111423.html

(8) http://web11.hc042048.tuxtools.net/wordpress/?p=4040

(9) http://web11.hc042048.tuxtools.net/wordpress/?p=4129

(10) http://investigatethorsteinar.blogsport.de/images/investigate_thor_steinar_2_web.pdf

(11) http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/kroatischer-blut-und-boden-rockstar-1.3770270

(12) http://pro-nrw.net/pro/pro-nrw-heisst-kroatischen-saenger-thompson-herzlich-willkommen/

(13) http://www.derwesten.de/staedte/essen/anti-israel-versammlung-sorgt-fuer-grossaufgebot-der-polizei-id9584277.html

(14) http://www.derwesten.de/staedte/essen/antifa-fordert-absage-der-anti-israel-kundgebung-id9596332.html

(15) https://www.youtube.com/watch?v=5zoukXdlOvE

(16) http://www.derwesten.de/staedte/essen/eine-bilanz-mit-vielen-unbekannten-id10080945.html

(17) http://www.derwesten.de/staedte/essen/70-angeblich-gewaltbereite-fans-am-essener-hauptbahnhof-id9849193.html

(18) http://www.rp-online.de/nrw/panorama/fluechtlinge-essen-trennt-sich-von-umstrittenen-wachdienst-ski-aid-1.4584329

Alle Angaben zu den Ergebnissen der Kommunal– und Europawahl wurden der Seite www.essen.de entnommen. Wir danken dem Antirassismus-Telefon, dem Bündnis Essen stellt sich quer sowie den Stadtratsfraktionen Die Linke und Partei-Piraten für ihre Unterstützung bei den Recherchen zu dieser Broschüre.