Am 9. März will die rechtspopulistische „Bürgerbewegung“ pro NRW vor einer Flüchtlingsunterkunft in Essen-Haarzopf gegen „Asylmissbrauch“ demonstrieren. Das Bündnis Essen stellt sich quer hat in unmittelbarer Nähe eine Gegenkundgebung angemeldet, die um 13.00 Uhr beginnt.
Treffpunkt für die gemeinsame Anfahrt ist um 12.30 Uhr (pünktlich!) am U-Bahnsteig 2 des Essener Hauptbahnhofs (U-Bahn-Schacht Richtung Mülheim, Gruga und Margarethenhöhe).
Aufruf der Antifa Essen Z
zu den Protesten gegen die pro NRW-Kundgebung in Haarzopf
Am 9. März wird die rechtspopulistische Partei pro NRW zum Auftakt einer landesweiten Serie von Kundgebungen die Städte Bochum und Essen ansteuern. Der knapp gehaltene dazugehörige Ankündigungstext, der auf der parteieigenen Homepage die Veranstaltungen bewirbt, bemüht sich gar nicht erst darum, das eigene Anliegen sonderlich differenziert darzustellen, sondern kommt im platten “Das Boot ist voll”-Jargon daher und kündigt den Versuch der Partei an, das Thema “Asylmissbrauch” durch eine herbei halluzinierte Mauer des “medialen Schweigekartells” hinein in den gesellschaftlichen Diskurs zu befördern.
Es steht nicht zu erwarten, dass sich an der landespolitischen Irrelevanz von pro NRW in diesem Jahr etwas ändern wird: die Partei landete bei den Landtagswahlen 2012 bei nur 1,5% der Wählerstimmen, in Essen konnte sie 2% der Wählerschaft für sich gewinnen. Und auch zu dieser Kampagnentour wäre es überraschend, wenn sich an dieser innerparteilichen Stagnation etwas ändern würde: Vermutlich werden weit weniger echauffierte Bürger an den Kundgebungen teilnehmen, als es sich der Landesverband der Partei wünscht. In den letzten Jahren ist es bei pro NRW zur Praxis geworden, dass zu Kundgebungen vornehmlich eine gleichbleibende Menge von Parteimitgliedern erscheint, die mit einem von der Partei organisierten Reisebus aus verschiedenen Teilen des Landes zu der Veranstaltung gebracht werden.
Mit pro NRW verhält es sich also anders als mit der NPD, die nicht nur in Essen über eine viel breitere Parteibasis und einen aktiven Kreisverband verfügt. Rechtspopulisten scheinen im Kampf um die Straße deutlich weniger aktionsfreudig und risikobereit als Kameradschaftler, “Autonome Nationalisten” oder die Anhängerschaft der NPD. Allerdings ist es der Partei gelungen, sich mit diversen rechtspopulistischen Internetportalen, allen voran dem rassistischen Blog “politically incorrect”, eine Plattform für ihre Positionen zu schaffen, durch die sie zumindest in rechtskonservativen Kreisen einen gewissen Einfluss gewinnen konnte.
Die auf derlei Seiten immer wieder gern aufgegriffene These eines staatlich verordneten Rede- und Schreibeverbots für vermeintliche Mainstream-Medien könnte indes unsinniger nicht sein: Im Zuge der Debatte um den verstärkten Zuzug von Flüchtlingen und (Armuts-)Migranten aus Osteuropa gibt es im Ruhrgebiet keinen Lokalsender und keine Stadtteilzeitung, die sich nicht auf mehr oder weniger umfassende Weise mit der Thematik auseinandergesetzt hätte. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen zeigt Diskussionsrunden mit dem üblichen Mix aus Gästen, unter denen sich fast immer auch Vertreter von Positionen befinden, die man auch von “politically incorrect” oder pro NRW so oder ähnlich hören könnte. Und nicht zuletzt in Duisburg und Essen haben sich erzürnte Bürger und mehr oder minder direkte Anwohner von Flüchtlingsunterkünften prophylaktisch wahlweise schon einmal zur Gründung einer Bürgerwehr entschlossen oder in der Bildung von fremdenfeindlichen Lichterketten probiert.
Die verhältnismäßige politische Bedeutungslosigkeit von offen rechtsgerichteten Parteien ist keineswegs ein Widerspruch zur gleichzeitigen Präsenz fremdenfeindlicher Überzeugungen und Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft: Wer sich offen für eine Einschränkung des Flüchtlingsschutzes und die soziale Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung von Asylsuchenden ausspricht, findet auch in den etablierten Parteien der politischen Mitte Gleichgesinnte. So machte erst vor wenigen Tagen ein Abgeordneter der SPD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft von sich reden, der auf seiner Website die Befürchtung äußerte, “dass sie” – gemeint waren osteuropäische Roma, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen – “viele Kinder zeugen werden, sich aber für nichts in unserer Gesellschaft verantwortlich zeigen”. Entsprechende Zitate ließen sich vermutlich auch von Politikern der meisten anderen großen Parteien finden. Es zeigt sich also immer wieder, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland kein Alleinstellungsmerkmal der politischen (extremen) Rechten sind. Umso wichtiger ist es uns, am 9. März nicht nur gegen pro NRW, sondern auch gegen den gesamtgesellschaftlichen Rassismus auf die Straße zu gehen und unsere Solidarität mit den in Essen lebenden Flüchtlingen zu bekunden.